Text: Christian / Bilder & Kurzfilme: Carola
Anders ist es hier drüben, im Gegensatz zur griechischen Inselwelt mit ihrer Vielzahl von Ankerbuchten, und den pittoresken historischen Küstenstädtchen. Gross und lang ist die Küste, wenig besiedelt und auf den ersten Blick auch weniger einladend. Die Ostküste Kalabriens hat touristisch weniger zu bieten als die bekanntere Westküste. Es scheint fast ein wenig, als wären hier die Segler lediglich auf der Durchreise.
Der Wind soll in den kommenden Tagen exakt aus südlicher Richtung kommen, aber zum Aufkreuzen über lange Distanzen haben wir definitiv keine Lust. Für einen mehrtägigen Zwischenstopp, bleiben wir in Crotone, im «Yachting-Kroton-Club». Das ist ein Segelclub im Yachthafen, welcher einige Liegeplätze für Transitgäste anbietet. Die überaus netten Mitarbeiter sind sehr hilfreich und auch immer gerne für einen kurzen Schwatz zu haben.
Die Kleinstadt besteht im Wesentlichen aus einer langen Promenade mit Badestränden und Restaurants. Hier wird allabendlich der Italianità gefrönt, elegant angezogen flanieren die Leute auf und ab, es wird Apéro getrunken und bis spät abends diniert. Das feine Gelato zwischendurch darf dabei natürlich nicht fehlen.
Das Zentrum von Crotone ist etwas hinter der Küste gelegen. Es besteht zu einer Hälfte aus einem mittelalterlichen Kern mit seiner historischen Festung und zur anderen Hälfte aus einem moderneren Zentrum mit Läden. Wir fühlen uns wohl, denn schliesslich hat hier schon Pythagoras seine Spuren hinterlassen und das will etwas heissen.
Integration in die itallienische Kultur
Auf Enteckungstour in Crotone
Im Pythagoras-Park
Kleiner Rundblick von der Mole
Capo Colonna – Parco Archeologico
Wichtiger Bestandteil unserer Nahrung – Gelato
Aller Abschied ist schwer, so auch in diesem Fall. Schliesslich wollen wir weiter, durch die Strasse von Messina, nach Sizilien. Endlich passt der Wind und wir lösen die Leinen. Wir lassen uns nach Spropoli schieben, einer kleinen Bucht auf der süd-östlichen Ecke von Kalabrien.
Abschied von Crotone
Unter Segel zieht die Landschaft an uns vorbei
Auf dem Weg nach Spropoli, legen wir einen spontanen Ankerstopp vor Favaco ein zum übernachten. Es wird nämlich dunkel und bis nach Roccella Ionica (wie zuvor geplant) schaffen wir es nicht mehr im hellen anzukommen.
In der Ankerbucht, bei Spropoli, haben wir einen phänomenalen Blick auf den Ätna
Kleiner Spaziergang am Strand von Spropoli
Blue Wave
Ab jetzt wird es ernst, die Strasse von Messina mit ihren Winden und Gezeitenströmungen naht. Wir brauchen ein gutes Zeitfenster für die Durchfahrt.
Für die Nacht vom 8. auf den 9. Juni buchen wir, eingangs der Strasse von Messina, im Porto Bolaro, einen Mooringplatz. Am darauffolgenden Morgen sollen die Bedingungen gut sein, eine leichte Strömung nordwärts, ebenso moderater Wind in die gleiche Richtung.
Im unspektakulären Städtchen finden wir ein gutes Restaurant. Dort verbringen wir den Abend gemeinsam mit einem netten Schweizer Pärchen, welches von Griechenland nach Neuseeland gesegelt ist und jetzt wieder zurück nach Griechenland fährt. Das sind die ungeplanten und schönen Momente, welche so wunderbar bereichernd sind.
Es geht weiter. Doch zuvor heisst es die morgendliche Schwimmrunde zu absolvieren.
Kein Wind in Sicht
Zwischen Sizilien und Kalabrien kommt uns der Wind dann kräftig auf die Nase
Porto Bolaro
Porto Bolaro ist eine kleine herzige Marina mit einer sehr schönen Anlage
Nachtessen mit Blick auf den Ätna
Etwas verschlafen geht es dann am folgenden Morgen um 06:00 Uhr los. Als erstes Boot lösen wir die Leinen und schleichen uns aus der Marina, während die anderen noch schlafen.
Etwas angespannt auf das, was uns da erwartet fahren wir nordwärts in die Strasse von Messina. Aber alles halb so wild, Wind und Strom sind moderat wie vorhergesagt, die grösste Herausforderung sind die Berufsschifffahrt, sowie die schnell querenden Fähren. Und damit es uns nicht langweilig wird, tummeln sich überall kleine Fischerboote, welche hier ihr Glück suchen.
Trotzdem sind wir erleichtert, als wir nach drei Stunden am nördlichen Ende ankommen und ins Tyrrhenische Meer einbiegen. Was sind denn das für komische kleine, wie Bohrinseln aussehende Boote, fragen wir uns. Das Fernglas löst das Rätsel. Es sind Schwertfisch-Fangboote. In dieser Gegend wird noch nach alter Tradition, mit speziellen Booten Jagd auf Schwertfische gemacht. Auf dem hohen Ausguck hält einer Ausschau und sobald dieser etwas sichtet, rennt ein weiterer Fischer zum Ende der langen, am Bug aufgehängten Passerelle und sticht mit einer Lanze auf den Schwertfisch ein. Eine Sisyphusarbeit der aussterbenden Art. Oft werden wir solche Boote in den kommenden Tagen noch antreffen, von morgens bis abends drehen sie der Küste entlang ihre Runden, scheinbar mit mässigem Erfolg. Heutzutage ist es schwer geworden, damit für seine Familie noch ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.
Kurz nach Sonnenaufgang legen wir ab
Ganz schön viel Schiffsverkehr (grüne Boote). Der rote Pfeil sind wir.
Leicht angespannt, aber sonst ist alles ok 😌
Genau mitten drin
Geschafft, wir sind durch 🙏
Ein typisches Schwertfisch-Fangboot
Als unser erstes Ziel im Tyrrhenischen Meer, steuern wir Scilla an, auf Empfehlung einer anderen Seglerin. Wir laufen den kleinen Naturhafen in der Bucht mit dem historischen Städtchen an. Die schmalen Häuser ziehen sich vom Wasser bis hoch in den Hügel hinauf.
Es gibt hier einige wenige Bojen, welche vorab gebucht werden können, darin inbegriffen ist auch der Tenderservice von und zum Land. Bei Anruf kommt jemand mit dem Dinghi und holt einen ab, das macht Spass. In Scilla verbringen wir eine erholsame Zeit, die alten Gassen mit ihren schönen Bars und Restaurants haben es uns angetan.
Anfahrt auf Scilla
Blick auf den Beach
Charme pur
Tenderservice
Blick in die Bucht
Herzige Gassen
Wir probieren ein neues Getränk – Bergamotte Spritz – erfrischend und mega fein. Unsere Topempfehlung 👌
Castello Ruffo di Scilla
Scilla bei Nacht
Nach wenigen Tagen zieht es uns dann weiter, vom italienischen Festland nach Sizilien. Milazzo unser Ziel, eine kleine Stadt. Diese bildet einen guten Ausgangspunkt zu den Liparischen Inseln.
Hier liegen wir in einer kleinen familiären Marina, direkt an einem Schwimmponton. Von Milazzo haben wir bis dato noch nie gehört. Die Kleinstadt reiht sich nahtlos in eine Reihe von Orten und Buchten ein, welche wir primär aufgrund ihrer günstigen geografischen Lage und nicht nach der «Must see- Empfehlung» eines Reiseführers ausgesucht haben. Enttäuscht wurden wir mit dieser Priorisierung jedenfalls noch nie, dafür aber immer wieder angenehm überrascht.
Milazzo eignet sich gut zum Proviantieren und ebenso für vergnügliche Abendessen mit gemütlichen Spaziergängen. Den Aufenthalt hier wollen wir auch nutzen, um unsere Lichtmaschine überprüfen zu lassen. Während der Fahrt durch die Strasse von Messina hatten wir nämlich bemerkt, dass die Spannung unserer Starterbatterie zeitweise stark schwankte und dann jeweils eine deutlich zu hohe Spannung ausgewiesen hatte. Der aufgebotene Elektriker rät uns dann richtigerweise unsere alte Lichtmaschine durch eine neue zu ersetzen, was er dann am Folgetag speditiv erledigt. Nach 20 Jahren Gebrauch waren die Kohlebürsten im Inneren der alten Lichtmaschine schlicht verbraucht.
Wir beschliessen, dass wir in Milazzo auch Caro’s Nichten, welche später zu Besuch kommen, einschiffen werden. So buchen wir in der Marina einige Tage für diesen Zeitraum.
Bei besten Bedingungen segeln wir unserem Ziel entgegen. Sizilien an Backbord.
Festgemacht in der Marina Poseidon, Milazzo
Ersteindruck
Nette Plätze
Nette Gebäude
Nette Aussicht über Milazzo vom „Castello Milazzo“
Alte Lichtmaschine
Neue Lichtmaschine
Die Tage bis zur Ankunft wollen wir jedoch nicht hier in Milazzo verbringen, uns zieht es zu den Liparischen Inseln. Wenigstens den Südzipfel der Insel Volcano wollen wir schon mal erkunden. So segeln, oder besser fahren wir unter Motor rüber, denn der Wind ist fast vollständig eingeschlafen.
Gespannt kontrolliere ich regelmässig die Anzeige für die Batteriespannung der Starterbatterie, und siehe da, alles funktioniert wieder bestens, die neue Lichtmaschine arbeitet einwandfrei.
Die Spiaggia del Cannitello ist unsere perfekte Ankerbucht, dort finden wir Ruhe und können schnorcheln. Derweil sich mein rechtes Ohr zunehmend durch Schmerzen bemerkbar macht. Dies veranlasst mich schliesslich eine telefonische medizinische Auskunft bei meiner Krankenkasse einzuholen. Die medizinische Fachperson empfiehlt mir möglichst gleichentags einen Arzt aufzusuchen, was sich in unserer Situation jedoch als etwas schwierig gestaltet.
Vulcano voraus. Rechts daneben ist Lipari zu sehen.
Hier bleiben wir eine gute Woche vor Anker
Erkundung der Unterwasserwelt. Hier erblicken wir zum ersten Mal einen kleinen Octopus, der sich an unseren Anker schmiegt.
Geniessen wundervolle Sonnenuntergänge
Kümmern uns um das Wohlergehen der Tiere
Bestaunen den leuchtenden Mond
Zurück nach Milazzo geht’s dann mit einem Zwischen-Ankerstopp, an der Nordküste Siziliens, dies wetterbedingt. Starke Winde mit unangenehmen Böen sind prognostiziert. In der Baia di Tindari wollen wir abwettern. Im Kies-sandigen Grund gräbt sich unser Anker tief ein und hält den Böen von mehr als 30 Knoten bestens stand. Meine stärker werdenden Ohrenschmerzen betäube ich in der Zwischenzeit mit Ibuprofen.
Baia di Tindari
Anker hält perfekt 👌
Was für ein wunderschöner Vollmond
Zurück in der Marina Poseidon, in Milazzo, gilt es unser Boot für die Gäste fein zu machen. Reinigung, Wäsche, Einkauf und vor allem Leerräumen der Gästekabine sind die anstehenden Arbeiten.
Für mich heisst es aber erst einmal ab zum Arzt. Die Marina empfiehlt mir ins lokale Spital zu gehen. Long story short, hier folgt mein persönlicher Exkurs ins italienische Gesundheitswesen: Um 18:00 Uhr im Notfall aufgenommen und erfasst. Warten bis morgens um 02:00 Uhr für die erste allgemeine Untersuchung. Um 10:00 Uhr dann eine Behandlung beim HNO-Arzt. Eine veritable Mittelohrentzündung hätte ich mir eingefangen, meint der Dottore. Endlich vorbei die Odyssee nur raus hier, denke ich. Auf dem Rückweg zum Boot kaufe ich mir noch die mir verschriebenen Medikamente. Die Entzündung bildet sich in den kommenden Tagen zum Glück schnell wieder zurück.
Es ist so weit, unser Besuch wird heute am Flughafen Catania ankommen. Mit dem Mietwagen fahren wir hin und nehmen die zwei aufgeregten Girls in Empfang.
Gemütlich segeln wir nach Milazzo zurück, bewundern dabei die Küstenlandschaft
Abendstimmung, Milazzo
Die Vorbereitungen laufen – Wäsche ist erledigt
Alles ist bereit. Unsere Gäste können kommen ☺️
Herzlich Willkommen Lara & Finja. Unsere neue Crew für die nächsten zwei Wochen.
Nach ausgiebigem Proviantieren legen wir schliesslich Richtung Liparische Inseln ab und erreichen am Nachmittag ein zweites Mal die Insel Volcano. Wir ankern in unserer zuvor ausgekundschafteten Bucht. Dort verbringen wir unsere erste Nacht mit den Gästen und schnorcheln am folgenden Tag die Küste ab. Gut erholt sind wir neugierig auf die Nordseite der Insel. Dort soll es vulkanische Aktivität zu sehen geben.
Nach einer kurzen Fahrt setzen wir unseren Anker in der westlichen der beiden Buchten und haben wunderbare Aussicht auf den dampfenden Vulkan. Natürlich wollen wir uns auch die sprudelnde Bucht auf der Ostseite anschauen. Dort tritt warmes, mit Schwefeldämpfen durchsetztes Wasser aus dem Meeresgrund. Wir wagen ein Bad zu nehmen und schwimmen zu den sprudelnden Stellen. Es hat etwas von einem Jacuzzi, wenn da nur dieser unangenehme Schwefelgeruch nicht wäre. Das angrenzende Schlammbad ist leider geschlossen, infolge Neubauplänen. Eine überaus spannende Erfahrung. Unsere Haut riecht danach noch zwei Tage nach Schwefel, dies trotz ausgiebigem Duschen.
Der letzte Abend an Land
Erste Ankerbucht erreicht. Der Crew geht es sichtlich gut 😌
Gemeinsam gehen wir auf „Schnorcheltour“
Porto di Ponente, im Norden von Vulcano. Ein zweites Mal erblicken wir einen Octopus, der anscheinend unseren Anker mag.
Ein Bad in den „warmen Quellen“ mit einer leichten Schwefelduftnote
Schlammbad vorübergehend geschlossen
Das ist schon mal ein interessanter Anfang, der Lust auf mehr macht. So planen wir unsere Weiterreise über Lipari nach Panarea. Schaffen wir es vielleicht noch hoch bis zur Insel Stromboli?
Dies ist unsere Segelroute vom Juni in zwei Teilen. Lehne dich zurück und reise mit uns nach Italien, Sizilien bis hin zu der ersten liparischen Insel.
Teil 1
Teil 2
Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
Ein Profi-Reiseführer, interessant und spannend – wie wenn wir mitgesegelt wären.
Dein positives Feedback motiviert zum Weiterschreiben. Der nächste Beitrag vom Monat Juli wird bald folgen.
Nautische Grüsse Chris & Caro
Ein Profi-Reiseführer – wie wenn wir mitgereist wären
Sehr spannend geschrieben.
Danke, liebe Monika.